In der vergangenen Woche war ich auf Exkursion in Frankreich, um mir die britische Front des Ersten Weltkriegs genauer anzugucken. Es ging nach Péronne, Arras, Amiens und in umliegende Dörfer. Das Programm war so vollgepackt, dass wir Bonn um halb sieben morgens verließen. Unsere Beschäftigung mit dem Ersten Weltkrieg begann in Péronne im Historial de la Grande Guerre, das seit 1992 über den Ersten Weltkrieg in der Region um die Somme in drei Sprachen informiert. So gibt es dort das Schild zu sehen, das die deutschen Truppen 1917 bei ihrem Rückzug im zerstörten Péronne zurückließen und das auch von der Forschung aufgegriffen wurde.
Das Museumskonzept des Historial sieht vor, dass im Museum selbst der Erste Weltkrieg nicht bewertet wird. Darüber hinaus hat das Historial das Konzept der Dreisprachigkeit, das nicht immer konsequent durchgesetzt wird und sich zumindest auch, was deutsche Besucher des Historials betrifft, nicht lohnt: es kommen kaum Deutsche in die Picardie, um sich mit dem Ersten Weltkrieg zu beschäftigen. Ganz anders sieht das bei den Briten aus, wie auch die kommenden Tage noch zeigen sollten.
Aber auch die Franzosen erinnern sich eher staatlich als individuell an den Ersten Weltkrieg. Es gibt zwar jedes Jahr am 11.11. zum Waffenstillstand Gedenkfeiern, diese sind aber staatlich organisiert. Und so kommt es, dass aus den ehemaligen Schützengräben mittlerweile Wanderwege geworden sind und man gar nicht merkt, das man gerade durch einen Schützengraben gegangen ist.
Anders sieht es dort aus, wo man die Schützengräben künstlich erhält, wie im Neufundlandpark in Beaumont-Hamel.
Deutlich wurde bei der Exkursion, dass die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg sehr unterschiedlich ist. Während die Franzosen sehr stark staatlich erinnern, läuft die Erinnerung in Großbritannien und den Commonwealth Staaten stark über das Individuum, was auch an den Friedhöfen deutlich wird. Überall in der Picardie sind britische Friedhöfe zu finden und das individuelle Gedenken wird auch im größten Denkmal für den Ersten Weltkrieg, in Thiepval, deutlich. Auf dem Monument ist jeder britische Kriegsteilnehmer verzeichnet, der kein Grab hat.
Die deutschen Friedhöfe wurden erst in den 1920er Jahren aus Deutschland betreut. Sie werden weitaus weniger besucht als die britischen oder die französischen und die Besucherbücher verraten, dass die meisten Besucher nicht aus Deutschland, sondern aus den Commonwealth-Staaten kommen. Dennoch kommen auch heute noch Deutsche, um die Gräber ihrer Verwandten zu besuchen. In den Findbüchern auf dem deutschen Friedhof in Neuville St. Vaast fand ich einen sehr berührenden Brief eines Enkels an seinen Großvater, der von der traurigen Familiengeschichte nach dem Tod des Großvaters schrieb und hoffte, dass es nie wieder zu Krieg kommen würde.